Pass Portrait - Grossglockner

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kein Tag wie der andere. Mal fährt man im Tal bei schönstem Frühlingswetter durch blühende Wiesen, nur um eine halbe Stunde später zwischen meterhohen Schneewänden im Nebel kaum die nächste Kurve zu erkennen. Dann wieder blickt man bei Kaiserwetter und tiefblauem Himmel auf ein unbeschreibliches Gipfelpanorama und sieht mit dem Fernglas sogar die Bergsteiger am Großglockner oder die Segelboote als kleine weiße Dreiecke in Zell am See übers Wasser gleiten.

Und doch gibt es Fragen, denen man sich auch auf dieser Vorzeige-Passstraße nicht entziehen kann, wenn man sein Auto oder Motorrad als einer von rund einer Million jährlicher Besucher einmal quer durch den größten Nationalpark der Alpen und entlang eines rapide schmelzenden Gletschers steuert. Wie können wir die Bergwelt genießen, ohne sie gleichzeitig existenziell zu gefährden? Die reduzierten Mautpreise für Elektrofahrzeuge und die Stromtankstellen entlang der Strecke mögen ein erstes Signal für einen nachhaltigeren Alpentourismus sein. Letztlich ist es jedoch eine Frage der Haltung und des Respekts – gegenüber der Natur, gegenüber den Bewohnern, gegenüber den anderen Besuchern, den Wanderern, Radlern und Bergsteigern –, die den Unterschied macht. In diesem Sinne soll auch dieses Buch einen Beitrag leisten, die Großglockner Hochalpenstraße nicht als alpine Rennstrecke für Serpentinenjäger erscheinen zu lassen, sondern als komplexes Meisterwerk der Architekturgeschichte sowie als Zugang zu einer ebenso eindrucksvollen wie fragilen Bergwelt, der man trotz aller Freude am sportlichen Fahren stets mit Ehrfurcht und Hochachtung begegnen sollte.

Road, but it never got tedious or boring; up here, no day is like another. One time you set off through blooming meadows in the valley amid perfect spring weather only to encounter, not half an hour later, meters-high snow-drifts in fog so thick that you can’t see around the next bend. Another time, with deep blue skies and glorious weather, you survey an indescribable panoramic view of the peaks, or, with a pair of binoculars, even track the mountain climbers on the Grossglockner or sailboats as little triangles as they glide across the water in Zell am See.

And yet there are questions that none of the million annual visitors who travel this exemplary pass road with their cars and motorcycles can avoid as they traverse the largest national park in the Alps, skirting a rapidly melting glacier. How can we enjoy the mountain landscape without, at the same time, endangering its very existence? The reduced tolls for electric vehicles and electric filling stations along the route may represent a first step along the way to a more sustainable form of Alpine tourism. Ultimately, however, it is a question of attitude and respect – for nature, for local residents, for other visitors, for hikers, cyclists and mountain climbers – that will make the difference. It is in this spirit that this book, too, intends to portray the Grossglockner High Alpine Road not as a mountain race track for switchback-junkies, but as a complex masterpiece of architectural history and a point of access to a mountainous region that is as fragile as it is impressive, and which should, for all the pleasure of driving it with vigorous exuberance, always be treated with respect and reverence.

stefan bogner ist Autor, Fotograf und Inhaber einer Designagentur – und ein leidenschaftlicher Porsche-Fahrer. Mit seinen eindrücklichen Fotografien von Kurven, Kehren und Serpentinen hat er die Schönheit der Alpenpässe sichtbar gemacht. Sein Magazin Curves und sein Bildband Escapes gelten unter sportlichen Automobilisten als perfekte Anleitungen zum Glücklichsein.

Stefan Bogner is a writer, photographer, founder of a Munich Design Agency – and a passionate Porsche driver. With his stunning photos of curves, hairpins and serpentines, he has captured the magnificence of the Alpine passes. Sporty drivers consider his magazine Curves and his coffeetable book Escapes as the ultimate guides to happiness.

jan karl baedeker ist Reisender aus Leidenschaft – und zudem Autor, Fotograf sowie Chefredakteur des Magazins Classic Driver. Sozusagen genetisch vorbelastet ist er als Urenkel von Karl Baedeker, der ab 1828 das Reisen zu einer Kulturform erhob und mit seinen roten Reisehandbüchern viele Generationen von Fernwehgetriebenen auf die richtige Spur brachte. Jan Karl Baedeker hat Medienwissenschaften und Europäische Ethnologie in Hamburg studiert, lebt heute in Zürich –und ist immer auf dem Sprung zur nächsten Tour.

Jan Karl Baedeker is an avid traveller – as well as author, photographer and editor-in-chief of the magazine Classic Driver. One could say he is genetically predisposed: he is, after all, the great-grandson of Karl Baedeker, who from 1828 turned travelling into a form of culture and, with his red travel guides, opened the way for many generations of adventurers to whet their wanderlust. Jan Karl Baedeker learned Media Studies and European Ethnology in Hamburg, he now lives in Zurich – and is always set to take off on his next adventure.

beendete sie mit der Dämmerung und legte dem Ausschuss schließlich seinen Plan einer Straße vor – fristgerecht. Auf Basis von Wallacks Projektvorlage erfolgte im Herbst die Ausschreibung für Bau und Finanzierung. Zum Weihnachtsfest 1924 wurde die Öffentlichkeit über den geplanten Bau der Großglockner Hochalpenstraße informiert. Wie das ambitionierte Bauvorhaben in der notorisch klammen, vom Völkerbund mittels Krediten am Leben erhaltenen Republik finanziert werden soll, stand allerdings noch in den Sternen.

Dennoch lief die Planung weiterhin munter voran: Im Frühjahr 1925 wurde Franz Wallack eine Studienreise zu den wichtigsten Passstraßen Europas gewährt. Im Sommer besuchte er in fünf Wochen die 13 großen Alpenhauptübergänge sowie 30 weitere Alpenpässe. Wallack begutachtete Streckenführungen und Straßenbeläge, vermaß Kehren und Steigungen, Tunnels und Galerien, prüfte Randsteine, Geländer und Brüstungsmauern, inspizierte Brücken aus Stein, Eisen, Holz und Beton, zählte Automobile, Busse und Motorräder, fuhr ferner mit zahllosen Zahnrad- und Schwebebahnen, besichtigte Wasserkraftwerke, schlief in Berghotels – und verfasste dabei eine ebenso einzigartige wie umfassende Bestandsaufnahme des alpinen Straßenbaus und Gebirgstourismus der 1920er-Jahre.

»Ich muss gestehen«, so erinnerte sich Franz Wallack mehr als zwei Jahrzehnte später in seinen Glocknerstraßenbiografie, »daß ich mit einigem innerem Zagen und Bangen die Kraftwagen auf das Stilfser Joch, auf die Grimsel und Furka sowie auf den Col du Lauteret bestieg, immer darauf gefasst, Ähnliches und landschaftlich Schöneres – vielleicht sogar weitaus Schöneres – zu Gesicht zu bekommen, als es die Großglockner Hochalpenstraße je zu bieten vermochte. Doch je weiter ich kam und je mehr ich sah, um so vorteilhafter hob sich das Projekt der Großglockner Hochalpenstraße von den anderen Alpenstraßen ab, am deutlichsten, als ich im unmittelbaren Anschluß an diese Reise wieder ins Glocknergebiet fuhr.«

Franz Wallack war auf seiner Reise endgültig zu der Überzeugung gelangt, dass es neben der verkehrstechnischen Bedeutung vor allem die landschaftliche Schönheit war, die den Bau der Straße rechtfertigte – und die in der Trassierung einer wahrhaften Panoramastraße berücksichtigt werden musste. Vor allem die Abzweigung zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe mit ihrem einzigartigen Gletscherblick galt es im Sinne des Fremdenverkehrs zu inszenieren. Doch so sehr der Konstrukteur auch an seiner Vision festhielt, die Strecke erneut trassierte, die Straßenbreite von drei auf fünf Meter erhöhte, die Strecke von 27 Kilometer auf 38 Kilometer verlängerte und alle weiteren Erkenntnisse seiner Studienreise ergänzend in das Projekt einfließen ließ – auch im Winter 1925 war kein Investor für die benötigten fünf Million Goldschilling in Sicht. Mittlerweile regte sich auf Bundesebene

about the planned buiding of the Grossglockner High Alpine Road at Christmastime in 1924. How the ambitious construction project would be financed in the notoriously cash-strapped republic, which was barely clinging to life through loans from the League of Nations, remained to be seen.

Nevertheless, the planning continued to advance blithely: in spring 1925, Franz Wallack was given permission to take a study tour to Europe’s most important mountain road passes. In the summer he visited the 13 most important Alpine crossings as well as an additional 30 Alpine passes in a five-week period. Wallack examined routing and road surfaces, measured hairpin turns and inclines, tunnels and galleries, checked curbstones, railings and retaining walls, inspected bridges made of stone, iron, wood and concrete, counted cars, busses and motorcycles, furthermore rode on countless cable and suspension railways, visited hydro power stations, slept in mountain hotels –all while writing a unique and comprehensive inventory of Alpine road engineering and mountain tourism in the 1920s. “I have to admit”, Franz Wallack recalled more than two decades later in his Glockner Road biography, “that as I ascended the Stilfserjoch, the Grimsel and the Furka as well as the Col du Lauteret by car, I felt some inner apprehension and fear and was always prepared to come face to face with similar and even more scenically beautiful –perhaps even significantly more beautiful – landscapes than the Grossglockner High Alpine Road would ever have to offer. However, the farther I got and the more I saw, the more favorably the Grossglockner High Alpine Road project set itself apart from the other Alpine roads, and most clearly when I drove back to the Glockner area immediately after making this trip.”

Franz Wallack ultimately became convinced during this trip that besides the traffic-related technological significance, it was primarily the scenic beauty that justified the construction of the road – and the aspect of a truly panoramic road had to be taken into account in its planning. In particular, it was important to showcase the branch road to the Kaiser-Franz-Josefs-Höhe and its unparalleled view of the glacier as a tourist highlight. But as tightly as the builder held onto his vision, reworked the routing, increased the road width from three to five meters, lengthened the route from 27 to 38 kilometers and brought in all additional insights he had gained from his study tour –even in the winter of 1925 there was still no investor for the required five million gold schillings. In the meantime, political opposition to the project was stirring at government level, the advocates for a Felber-Tauern variant were also piping up again, and a pass road over the Lower Tauern was brought into play from Badgastein. Meanwhile, Wallack’s Grossglockner project, which had been prepared down to the composition of the dry masonry and could be implemented immediately, was still lying untouched in the committee’s drawer in 1928, four years after the planning had been initiated.

mit freundlicher genehmigung courtesy of: grohag archiv

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vielen dank/thank you:

Patricia Lutz, Daniela Laimer und Dr. Johannes Hörl von der Großglockner Hochalpenstraßen AG. Peter Embacher, dem technischen Betriebsleiter der Straße. Erika und Robert Sallaberger sowie Hartmut Henkel vom Restaurant Fuschertörl. Herbert Haslinger, dem „Mankeiwirt“ vom Gasthof Fuscherlacke. Nadia Kneissler, Birgit Radebold und Ed Baaske vom Delius Klasing Verlag.

Danke den Kurvenverstehern bei Porsche, die uns unter die Arme greifen. Dr. Wolfgang Porsche, Dr. Josef Arweck von der Porsche AG. Michael Mauer und Walter Röhrl.

Martin Brandenburg, Ferdinand Wolf, Roland Richter, Florian „Fred“ Singer, Yehonatan Richter, Annemarie Falk, Vincent Haldy (Skynamic) von DJI David zu Elfe - what a film! Philipp Hohenthanner for beeing the »Insta«. Michael Dorn für den letzten Schliff.

For bringing the cars: Michael Barbach, Egon Zweimüller, Jürgen Boden, Thomas Beckmann, Max Braunmühl, Florian Geissler, Stevie Fahr-Becker, Matthias Laimer, Niki Knoll, Marco Halter, Franz Schwarz, Mike Gnani, P&P Patt, Daniel Maier, Mark Porsche, Hermann Köpf, Jonas Bierschneider und Michael Behr.

Wucher Helikopter für die grandiosen Flüge!

Jan Karl Baedeker: Für Laura und Anton - gemeinsam über alle Berge.

Stefan Bogner: Für Micha, Maxi & Dominik, die die Kurven im Alltag driften und Michi »The Driver«.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek.

The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.dnb.de.

1. Auflage / 1st edition

ISBN 978-3-667-11086-2

© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Konzept/Concept: Stefan Bogner

Einbandgestaltung und Layout/Cover Design and Layout: Stefan Bogner

Text: Jan Karl Baedeker

Übersetzung ins Englische/Translation: Kaye Mueller

Fotos/Photos: Stefan Bogner

Motivausarbeitung/Artwork: Michael Dorn

Karten mit freundlicher Genehmigung von/ Maps with courtesy of: Arthur Gfrei, Touriseum Meran & Centro studi storici Alta Valtellina

Projektmanagement und Lektorat/ Projectmanagement and Editor: Birgit Radebold

Produktion/Production: Jörn Heese

Druck/Printing: Firmengruppe APPL, aprinta-druck, Wemding. Printed in Germany 2018

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise reproduziert, übertragen oder kopiert werden, wie z. B. manuell oder mithilfe elektronischer und mechanischer Systeme inklusive Fotokopieren, Bandaufzeichnung und Datenspeicherung.

All rights reserved. The work may neither be entirely nor partially reproduced, transmitted or copied – such as manually or by means of electronic and mechanical systems, including photo-copying, tape recording and data storage – without explicit permission of the publisher.

Delius Klasing Verlag, Siekerwall 21, D - 33602 Bielefeld, Germany

Telefon/Phone +49 (0)521 559-0, Telefax/Fax +49 (0)521 559-115

E-Mail: info@delius-klasing.de www.delius-klasing.de

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Pass Portrait - Grossglockner by ACC Art Books - Issuu