
Position |Digital-, Finanz-, Wirtschaftspolitik |Digitale Währungen
Position |Digital-, Finanz-, Wirtschaftspolitik |Digitale Währungen
Ein Blick auf Potenziale, Instrumente und Handlungsfelder
Publikation
https://bdi.eu/publikation/news/die-deutsche-industrie-in-zeiten-von-bitcoins-stablecoins-und-digitalem-euro
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Ein stabiles Geldsystem ist die Basis wirtschaftlicher Aktivität. Marktteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, das Bezahlen sicher möglich ist. Das Geldsystem wird damit zum Dienstleister der Wirtschaft. Verändert sich die Wirtschaft, muss sich auch das Geldsystem verändern – eine Weiterentwicklung, die momentan in vollem Gange ist. Im Zentrum stehen öffentliche, wie auch privatwirtschaftliche Initiativen, die wir seit einigen Jahren intensiv verfolgen und teilweise auch mitgestalten.
Industrielle Anwendungsfälle bleiben im öffentlichen und politischen Diskurs über die Digitalisierung von Zahlungsmitteln und deren Infrastruktur bislang häufig unbeachtet. Dabei sind selbstabrechnende Lieferketten mit bezahlenden Maschinen, Fahrzeugen oder Containern längst keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern ein zunehmend greifbarer Bestandteil der Industrie 4.0. Damit diese Anwendungsfälle umgesetzt werden können, sind innovative, blockchainbasierte Zahlungssysteme erforderlich, die spezifische technologische Voraussetzungen erfüllen.
Die Bedarfe der Industrie im Kontext digitaler Währungen1 werden in dieser Broschüre dargestellt. Ihr potenzieller Nutzen wird sichtbar. Dieses Thema ist nicht nur für die Konsumenten und die Finanzindustrie von Bedeutung, sondern zunehmend auch für industrielle Geschäftsmodelle. Dabei verändern digitale Zahlungsmittel mehr als nur technische Abläufe. Mittlerweile repräsentieren sie geo- und wirtschaftspolitische Schlüsselgrößen: Währungsräume, denen es nicht gelingt, die oft unsichtbare Komplexität ihrer Zahlungsverkehrssysteme zu reduzieren, Kosten zu senken und Innovation zu fördern, verlieren international an Attraktivität. Insofern muss die EU auf den internationalen Wettbewerb mit den USA und der Volksrepublik China in diesem Feld konsequent antworten.
Wenn du immer das tust, was du immer getan hast, wirst du immer das bekommen, was du immer bekommen hast.
Henry Ford
Die Bereitstellung digitaler Bezahlvarianten in einer für die Industrie passenden Form sollte zeitnah erfolgen. Erste privatwirtschaftliche Ansätze existieren bereits bzw. befinden sich in der Entwicklung. Auch der europäische Gesetzgeber und die Europäische Zentralbank sollten mitziehen und eine Version des digitalen Euro bereitstellen, mit der sich industrielle Anwendungsfälle gut abbilden lassen.
Unsere politischen Entscheidungsträger sollten eine innovationsfreundliche Haltung einnehmen und die regulatorischen Rahmenbedingungen dementsprechend weiterentwickeln. Die Digitalisierung des Geldsystems ist als ein soziotechnologischer Wandel zu verstehen, bei dem technologische Innovationen nicht isoliert wirken, sondern bestehende wirtschaftliche Strukturen, regulatorische Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungen neu ausrichten. Digitale Währungen sind weit mehr als ein reines Finanzthema. Ihre strategische Bedeutung erfordert eine Abstimmung zwischen Wirtschafts-, Digitalund Finanzpolitik.
1 Im Sinne einer vereinfachten Darstellung werden in diesem Papier unter dem Begriff „digitale Währungen“ auch Stablecoins und vergleichbare digitale Vermögenswerte verstanden, obwohl diese streng genommen keine gesetzlich festgelegten Geldeinheiten und somit keine Währungen im rechtlichen Sinne darstellen.
Tanja Gönner
Hauptgeschäftsführerin
• Die Einführung digitaler Zahlungsmittel verändert nicht nur Prozesse. Sie verändert Rollen, Verantwortlichkeiten und die Art, wie Wertschöpfung organisiert wird. Digitale Währungen sind deshalb kein isoliertes Finanzthema. Ihre strategische Relevanz und breitgefassten Anwendungsmöglichkeiten verlangen eine enge Verzahnung von Digital-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Zusätzlich erhält das Thema eine geopolitische Dimension. Währungsräume, die komplex bleiben, innovationsschwach agieren und relevante Impulse ignorieren, verlieren international an Attraktivität.
• Verschiedene Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zeigen, wie stark Europa in zentralen Bereichen des Zahlungsverkehrs von außereuropäischen Anbietern abhängig ist. Um technologische Souveränität zu stärken, müssen europäische Lösungen gezielt gefördert und regulatorische Rahmenbedingungen innovationsfreundlich weiterentwickelt werden.
• Für die industrielle Nutzung digitaler Währungen ist entscheidend, dass bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Im Zentrum stehen technologische Funktionalitäten, Interoperabilität, regulatorische Aspekte und vom Anwendungsfall abhängige Anforderungen an die Datensicherheit und Vertrauenswürdigkeit. Grundsätzlich kämen dafür sowohl der digitale Euro der EZB, der Giralgeldtoken als auch Stablecoins infrage – vorausgesetzt, sie erfüllen die Anforderungen.
• Zu digitalen und innovativen Zahlungsverkehrssystemen gehört sowohl der private als auch öffentliche Sektor. Daher sollte neben den Entwicklungen in der Finanzwirtschaft auch die EZB ihre Aktivitäten für digitale B2B-Zahlungen konsequent weiterentwickeln. In der Verordnung zum digitalen Euro sollte die EZB hierzu verpflichtet werden. Europäische Gesetzgeber sind aufgefordert, entsprechende Ansätze zu berücksichtigen, um den digitalen Euro von Beginn an als industrietaugliches Zahlungsmittel zu etablieren.
• Neue Standards im Zahlungsverkehr können helfen, Lösungen schneller und breiter im Markt zu skalieren. Die Verordnung über Märkte für Kryptowerte bietet einen guten Ausgangspunkt. Auch das Gesetz über elektronische Wertpapiere sollte konsequent weiterentwickelt werden –etwa durch die Zulassung von Kryptoinhaberaktien, blockchainbasierter Aktionärskommunikation und smart contracts. Damit Stablecoins wettbewerbsfähig eingesetzt werden können, sollten sie steuerlich und bilanziell wie bestehende Zahlungsmittel behandelt werden oder zumindest keine wesentlichen Nachteile mehr mit sich bringen.
Die Digitalisierung des Finanzwesens schreitet voran — mit disruptiven Technologien, neuen Akteuren und wachsendem Druck auf etablierte Strukturen.
Digitale Währungen2 wie Bitcoin, Stablecoins und der digitale Euro stehen im Zentrum eines tiefgreifenden Wandels, der längst über technische Fragen hinausgeht. Es geht um geopolitische Handlungsfähigkeit, wirtschaftliche Anschlussfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit ganzer Währungsräume.
Zeitalter im Finanzwesen nimmt Fahrt auf
In den letzten zehn Jahren hat die Digitalisierung das Finanzwesen verändert. Technologien wie Blockchain, Künstliche Intelligenz und digitale Plattformen haben traditionelle Abläufe beschleunigt, automatisiert und global vernetzt. Gleichzeitig sind neue Marktteilnehmer entstanden, die mit innovativen Lösungen etablierte Geschäftsmodelle herausfordern – und das weiterhin tun.
Ein wesentlicher Baustein bildet die Digitalisierung von Zahlungsmitteln. Mit Bitcoin und Libra bzw. Diem sind zwei Beispiele entstanden, die es bis in den breiten, öffentlichen Diskurs geschafft haben. Das von Facebook im Juni 2019 initiierte Projekt Libra – später in Diem umbenannt – sollte als globale digitale Währung fungieren und wurde als Lösung für Menschen ohne Zugang zum traditionellen Bankensystem beworben; es löste weltweit regulatorische Debatten aus und galt als „Weckruf für Zentralbanken“, der zumindest zu einer beschleunigten Entwicklung bzw. ernsteren Diskussionen geführt haben dürfte.3 Nach massiver Kritik und dem Rückzug zahlreicher Partner wurde das Projekt im Februar 2022 endgültig eingestellt. Bitcoin hingegen hat sich seit seiner Einführung 2009 von einem experimentellen Zahlungsmittel zu einem mehr oder weniger akzeptierten, wenn auch höchst volatilen digitalen Vermögenswert entwickelt.
Seit einiger Zeit bestimmt vor allem ein Produkt den öffentlichen Diskurs: Stablecoins. Während eine Vielzahl von Zentralbanken weltweit mit der Entwicklung von digitalen Bargeldvarianten begonnen haben,4 entstand im Privatsektor als Antwort auf die üblicherweise stark volatilen klassischen Kryptowährungen ein digitales Zahlungsmittel, das im Wert stabil bleiben soll. Doch das Produkt ist umstritten. Ähnlich wie damals Libra führen Stablecoins heute zu ernsthaften und größer angelegten, strategischen Diskussionen über die zukünftige Ausgestaltung des Geldsystems. Und ähnlich wie damals sind es privatwirtschaftliche Initiativen von Technologieunternehmen, die die Entwicklung im öffentlichen Sektor und bei Banken treiben.
Stablecoins sind digitale Vermögenswerte, deren Wert an eine stabile Referenzgröße gekoppelt ist. Sie sind jedoch nicht frei von Kontroversen. Kritiker bemängeln vor allem mögliche systemische Risiken. Fürsprecher hingegen loben ihre Eigenschaft als Innovationstreiber, die das komplexe und teure Zahlungssystem durch bspw. sehr schnelle Transaktionen verbessert und für wirtschaftlichen Fortschritt sorgt.
2 Im Sinne einer vereinfachten Darstellung werden in diesem Papier unter dem Begriff „digitale Währungen“ auch Stablecoins und vergleichbare digitale Vermögenswerte verstanden, obwohl diese streng genommen keine gesetzlich festgelegten Geldeinheiten und somit keine Währungen im rechtlichen Sinne darstellen.
3 Reuters (2019) EZB-Direktor nennt Libra-Projekt "Weckruf" für Zentralbanken | Reuters
Längst eine Frage der Geopolitik und internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Das digitale Geldsystem ist nicht nur ein Thema für Konsumenten, Händler, Finanzunternehmen oder Zentralbanken. Digitale Währungen als integraler Bestandteil des digitalen Geldsystems sind auch für die deutsche Industrie von Bedeutung. 5 Denn die Frage der Zukunftsfähigkeit des Geldes wurde zu einer geo- und wirtschaftspolitischen Größe. Währungsräume, die es nicht schaffen, ihre oft nicht sichtbare hohe Komplexität der Zahlungsverkehrssysteme zu reduzieren und damit auch Kosten zu senken und innovativer zu werden, büßen international an Attraktivität ein. Ebenso wichtig ist, die Währung als solche so attraktiv werden zu lassen, dass sie nicht nur Vertrauen bei Konsumenten und Unternehmen genießt, sondern auch als technologisch anschlussfähig gilt – etwa für automatisierte Industrieprozesse, digitale Plattformökonomien und internationale Handelsbeziehungen. Digitale Währungen können dabei als Bindeglied zwischen Finanzsystem und industrieller Wertschöpfung fungieren: bei richtiger Ausgestaltung ermöglichen sie programmierbare Zahlungen, stärken die Resilienz globaler Lieferketten und eröffnen neue Geschäftsmodelle im Kontext von Industrie 4.0. Wer hier frühzeitig Standards setzt, regulatorische Klarheit schafft und Innovationen fördert bzw. zulässt, sichert sich geopolitische Handlungsfähigkeit und wirtschaftliche Anschlussfähigkeit im digitalen Zeitalter.
Digitale Währungen sind elektronische Formen von Geld, die entweder von Zentralbanken (digitales Zentralbankgeld), Finanzunternehmen (bspw. Giralgeldtoken oder Stablecoins) oder dezentralen Protokollen (bspw. DAI von MakerDAO) ausgegeben werden. Sie können Industrieunternehmen perspektivisch transformative Potenziale für Geschäftsprozesse eröffnen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Dabei werden auch Kosten von Transaktionen gesenkt und deren Transparenz und Geschwindigkeit erhöht.
Gestaltungswille gefragt: Wie viel Transformation wollen wir wirklich?
Noch ist nicht absehbar, wie tiefgreifend und dauerhaft die Veränderungen am bestehenden Geldsystem tatsächlich sein werden. Dabei geht es um die Frage nach künftigen Zahlungsmitteln und deren digitaler Ausgestaltung bzw. Zusammenspiel im Zahlungsmittelmix – inklusive möglicher Rollenverschiebungen im geldpolitischen und finanzwirtschaftlichen Gefüge. Viele der hierbei richtungsweisenden Entscheidungen liegen in den Händen der Zentralbanken und Gesetzgeber. Sie müssen entscheiden, welche Produkte sie bereit sind anzubieten bzw. regulatorisch zuzulassen bzw. zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Spieler ist die Finanzindustrie selbst. Auch sie muss für sich festlegen, welche Rolle sie mit welchen Produkten einnehmen will. Letztlich wird sich zeigen müssen, wie viel echte Transformation die einzelnen Akteure tatsächlich zulassen – und wie weit sie bereit sind, ihre bisherigen Rollen und Geschäftsmodelle zum Wohle einer innovativeren Wirtschaftsstruktur zu hinterfragen und auch anzupassen. Eine enge Zusammenarbeit aller ist dabei von größerer Bedeutung.
5 BDI (2022), Digitaler Euro - Industriebedarfe bei Etablierung nicht vernachlässigen
Risiken und Chancen sollten ausgewogen und nicht übervorsichtig beurteilt werden. Digitalisierung schafft Potenziale, die genutzt werden sollten. Dazu gehören Offenheit gegenüber neuen Technologien, wettbewerbsorientiertes Handeln im Einklang mit internationalen Entwicklungen sowie der Mut und Wille, bestehende Strukturen aufzubrechen. Bahnbrechende Technologien stoßen häufig auf Widerstände, da bestehende Regulierungen, Infrastrukturen, Nutzergewohnheiten und Wartungsstrukturen auf die etablierten Systeme ausgerichtet sind und Veränderungen nur langsam zulassen.6 6 Geels (2002),
Digitale Währungen stehen nicht nur für Innovation im Zahlungswesen, sondern können einen tiefgreifenden soziotechnologischen Wandel markieren.
Digitale Währungen eröffnen neue Wege für die Industrie: Von integrierten Lieferkettenlösungen über maschinenbasierte Transaktionen bis hin zu automatisierten Zahlungsprozessen.
Die Digitalisierung des Geldsystems eröffnet Industrieunternehmen vielfältige Möglichkeiten, die klassische Zahlungsmethoden nicht oder nur eingeschränkt bieten und führt zur Effizienzsteigerung bestehender Prozesse. Digitale Währungen sind daher nicht nur ein neues Zahlungsmittel, das rund um die Uhr zur Verfügung steht, sondern ein potenzieller Innovationstreiber für automatisierte, integrierte und transparente Geschäftsabläufe. Die größte Innovation im industriellen Bereich liegt jedoch weniger in der Digitalisierung der Zahlung selbst, sondern in der engen Verknüpfung von Zahlungsprozessen mit operativen Geschäftsvorfällen wie etwa Logistik-, Produktions- oder Bestellvorgängen auf einer gemeinsamen digitalen Plattform.
Beispiele:
1
Selbstabrechnende Supply Chains
In einer digitalisierten Lieferkette können einzelne Komponenten – etwa Maschinen, Fahrzeuge oder Container – eigenständig Zahlungen auslösen und abrechnen, ohne dass ein manueller Eingriff nötig ist. Möglich wird das durch die Kombination aus digitalen Währungen, smart contracts und IoT-Technologien wie Sensoren, die die Transaktionen sofort und final abschließt (instant settlement).
2
Unternehmensfinanzierung
Digitale Währungen und smart contracts können Abläufe im Finanzbereich deutlich vereinfachen und beschleunigen – etwa bei der Emission von Wertpapieren, der Abwicklung von Währungsgeschäften oder dem CO2-Zertifikatehandel. Dabei interagieren die beteiligten Parteien (Emittenten und Investoren) über automatisierte Vertragslogiken, die Zahlungen und Gegenleistungen synchron ausführen (delivery versus payment). So erfolgen Transaktionen gleichzeitig und in Echtzeit zwischen den definierten Zieladressen, wodurch Risiken reduziert und Abläufe automatisiert werden können.
3
Industrie-übergreifende Ressourcenmärkte Unternehmen können freie Kapazitäten, Energie oder Datenströme direkt zwischen Maschinen handeln – ohne zentrale Vermittler. So kann etwa eine Lackieranlage überschüssige Prozesswärme direkt an ein benachbartes Chemiewerk verkaufen, oder ein autonomes Gabelstaplersystem bucht Ladezeit an einer freien Station und zahlt automatisch aus seinem digitalen Wallet.
4
Automatisierte Zahlungen auf Basis gemeinsamer Dateninfrastrukturen
In digital vernetzten Industrieökosystemen können Unternehmen über gemeinsame Dateninfrastrukturen nicht nur Informationen austauschen, sondern auch Zahlungsprozesse automatisieren und steuern. Digitale Währungen ermöglichen dabei eine direkte Verknüpfung von Datenflüssen und Zahlungslogik: Sobald etwa eine Produktionsleistung, Ressourcennutzung oder Dienstleistung über die Infrastruktur bestätigt wird, kann die Zahlung automatisch ausgelöst und verbucht werden.
5
Echtzeitabrechnung
Digitale Plattformen ermöglichen es, die Nutzung von Maschinen, Anlagen und industriellen Ressourcen in Echtzeit zu erfassen und automatisiert abzurechnen. Über integrierte IoT-Schnittstellen werden Nutzungsdaten direkt von der Maschine an die Plattform übermittelt, dort durch smart contracts ausgewertet und unmittelbar verrechnet. So kann etwa eine CNC-Fräsmaschine nach Betriebsstunden automatisch abgerechnet werden – ohne manuelle Eingriffe oder Verzögerungen.
6
Rechnungsvalidierung und Zahlung
Durch die fortlaufende Validierung von Bestell- und Rechnungsdaten zwischen Kunde und Lieferant kann die Rechnungsprüfung vollständig automatisiert werden. Digitale Währungen ermöglichen die Bezahlung direkt auf derselben Plattform – vom Wallet des Kunden zum Wallet des Lieferanten. Das schafft Effizienz bei der Zahlungsreferenzierung und sorgt für Klarheit über Betrag und Zeitpunkt der Zahlung.
7
Zweckgebundene Token
Programmierbare Token7 ermöglichen es Unternehmen, Zahlungen gezielt zu steuern und wirtschaftliches Verhalten innerhalb offener oder geschlossener Ökosysteme zu beeinflussen. Anders als frei verwendbares Geld sind diese Token nur für bestimmte Zwecke oder Transaktionen nutzbar, was neue Formen der Prozesssteuerung und Marktgestaltung erlaubt. Vorstellbar ist damit auch der Einsatz als Steuerungshilfe im Rahmen einer effizienteren Industriepolitik.
7 Der Begriff „Token“ wird in diesem Papier im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie verwendet, obwohl er in seiner grundlegenden Definition lediglich die digitale Darstellung eines Wertes bezeichnet und keine Aussage über die zugrunde liegende Technologieform (dezentral oder zentral) trifft.
Damit Potenziale digitaler Währungen auch realisiert werden können, brauchen Industrieunternehmen geeignete Voraussetzungen.
Digitale Währungen müssen sich nahtlos in digitale Prozesse integrieren lassen und neue Formen der Automatisierung ermöglichen:
• smart contract-Fähigkeit: Verbindung von Geschäfts- und Zahlungsprozessen in einer gemeinsamen Systemwelt.
• Programmierbarkeit: Zahlungslogik kann flexibel an betriebliche Anforderungen angepasst werden. Dies stellt die zuverlässige und autonome Erfüllung der vertraglich vereinbarten Bedingungen sicher.
• atomic settlement: Transaktion erfolgt unteilbar und garantiert – entweder vollständig oder gar nicht.
• micropayments / sub-cent payments: Unterstützung extrem kleiner Zahlungen, bspw. für maschinelle Dienstleistungen auf Basis von pay-per-use
Für den industriellen Einsatz ist eine stabile und flexible technische Infrastruktur entscheidend:
• Verfügbarkeit in relevanten Blockchain-Netzwerken: Nutzbarkeit in privaten und öffentlichen Netzwerken. Zudem müssen die Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten global und einfach möglich sein, um Anwendungsfälle und Skalierung zu ermöglichen.
• 24/7 Verfügbarkeit: Zahlungen müssen jederzeit ausführbar sein – unabhängig von Geschäftszeiten.
• Unlimitierte Haltung: Keine Begrenzung bei der Menge, die ein Unternehmen halten und zahlen darf, bzw. das Vorhandensein von technischen Lösungen für unlimitierte Beträge.
Digitale Währungen müssen mit bestehenden Systemen und anderen Währungsformen kompatibel sein:
• Interoperabilität mit anderen staatlichen Währungen wie dem Euro und anderen digitalen Währungen.
• Kompatibilität mit verschiedenen technischen Lösungen: Einbindung in unterschiedliche Plattformen und Protokolle.
Rechtliche Klarheit und einfache Integration in bestehende Unternehmensprozesse sind Voraussetzung für breite Akzeptanz:
• Regulatorische Klarheit und Akzeptanz: Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen Vertrauen.
• Einfache Integration in Unternehmensprozesse: gleichbleibende Erfüllung der steuer- und handelsrechtlichen Compliance- und ReportingAnforderungen.
Der Schutz sensibler Unternehmens- und Transaktionsdaten ist essenziell – insbesondere für Industrieunternehmen mit vertraulichen Geschäftsbeziehungen und Vertragsdetails. Der Einsatz digitaler Währungen und deren technische Umsetzung erfordert daher vom Anwendungsfall abhängige Anforderungen an die Datensicherheit und Vertrauenswürdigkeit.
• Vertraulichkeit trotz Blockchains: Geschäftsbeziehungen, Zahlungsströme und Lieferketten dürfen nicht öffentlich einsehbar sein.
• Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Transaktionsdaten müssen für besonders sensible Geschäftsaktivitäten gesichert sein.
• Datenschutzkonformität: Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie der DSGVO ist zwingend erforderlich.
• Cyberresilienz: Schutz vor Manipulation, Datenlecks und Systemausfällen durch robuste Sicherheitsmechanismen.
• Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit: Transparente und auditierbare Datenverarbeitung für interne und externe Prüfungen.
• Vertrauenswürdigkeit der Infrastruktur: Die eingesetzten Technologien und Betreiber digitaler Währungen müssen höchsten Anforderungen an Integrität, Transparenz und Verantwortlichkeit genügen, um Vertrauen bei Unternehmen und Partnern zu schaffen.
Digitale Währungen können Geschäftsprozesse grundlegend verändern – vorausgesetzt, sie sind technologisch leistungsfähig, jederzeit verfügbar, sicher und rechtlich klar geregelt. Ihre Integration muss nicht nur technisch reibungslos funktionieren, sondern auch vertrauliche Daten schützen und bestehende Systeme nahtlos ergänzen.
Die Zukunft des Geldsystems ist offen –geprägt von globalen Gegensätzen und technologischen Umbrüchen.
Für die deutsche Industrie könnten digitale Zentralbanklösungen, Giralgeldtoken oder auch Stablecoins bei richtiger Ausgestaltung und breitangelegtem Angebot neue Chancen eröffnen.
Die Zukunft des Geldsystems ist aktuell noch unklar. Unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Währungsräumen lassen lediglich gewisse Rückschlüsse zu. Da wir uns aber erst am Beginn einer neuen größeren Entwicklung befinden, sind erneute strategische Richtungswechsel nicht auszuschließen.8 Dies gilt umso mehr, als bislang keine größeren Krisen aufgetreten sind und sowohl das Regelwerk als auch die neuen digitalen Geldformen noch keinem belastbaren Praxistest unter realen Stressbedingungen unterzogen wurden. Zugleich sollte erwähnt werden, dass bislang keine relevante Blockchain kompromittiert wurde. Technische Angriffe auf Transaktionen sind faktisch nicht möglich – stattdessen versuchen Angreifer, Nutzer durch Täuschung zur Preisgabe sensibler Informationen zu bewegen.
Zwei Ansätze prägen das derzeit dynamische Gesamtbild maßgeblich: Einerseits setzen einige Länder – wie die USA9 und vermehrt auch China10 – auf privatwirtschaftliche Stablecoins, die durch regulierte Unternehmen emittiert und an bestehende Währungen gekoppelt sind. Der Fokus liegt dabei auf Innovation, Marktflexibilität und globaler Skalierbarkeit mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Währung im digitalen Raum zu sichern und ihre strategische Bedeutung im globalen Zahlungsverkehr zu festigen. Andererseits betreiben Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), 11,12 oder die Initiatoren des Digital Dirham13 Projekte für staatlich kontrollierte digitale Zentralbankwährungen, die auf Vertrauen und geldpolitische Stabilität abzielen. Zwischen den beiden Positionen gibt es Stimmen, die eine Kombination beider Systeme als sinnvoll erachten und Stablecoins als nützliche privatwirtschaftliche Ergänzung zum staatlichen digitalen
8 Am 23. Januar 2025 unterzeichnete Donald Trump die Executive Order mit dem Titel „Strengthening American Leadership in Digital Financial Technology“. Damit wurde die Entwicklung, Ausgabe und Nutzung von CBDCs innerhalb der USA verboten. Vor dem Verbot gingen viele Marktbeobachter noch von einer Dominanz der Zentralbankwährungen aus.
9 Paymentsdive (2025) Trump order embraces stablecoins, bars CBDCs | Payments Dive
10 CNN (2025) Stablecoin frenzy: China’s incubating crypto in Hong Kong but the city’s strict rules are frustrating entry | CNN Business
11 BIZ (2025) III. The next-generation monetary and financial system
12 Die BIZ favorisiert als Grundlage für ein tokenisiertes Währungs- und Finanzsystem ein tokenisiertes Unified Ledger („einheitliches Hauptbuch“), das Zentralbankgeld, Einlagen von Geschäftsbanken und Staatsanleihen umfasst.
13 Zentralbank der VAE (2025) Digital Dirham –A Primer on the UAE’s Central Bank Digital Currency
Zentralbankgeld ansehen.14 Zudem gibt es mittlerweile einige finanzwirtschaftliche Initiativen einzelner Banken in verschiedenen Ländern – darunter auch Deutschland – die ihren Kunden tokenisierte Einlagen zur Verfügung stellen bzw. Verfügung stellen wollen.
Für Industrieunternehmen als Technologienutzer stellt die Situation eine Herausforderung dar, nicht nur wegen der Unsicherheit über technologische Standards, sondern auch aufgrund der strategischen Implikationen für internationale Wettbewerbsfähigkeit, Datenhoheit und Integration in globale Zahlungsinfrastrukturen. Ein wesentlicher Aspekt eines digitalisierten Geldsystems ist ein tokenbasiertes Bezahlsystem bzw. das Angebot einer Währung auf einer Blockchain. Die Bereitstellung digitaler Währungen auf der Blockchain schafft einen neuen Markt, dessen Erschließung frühzeitige Präsenz und strategisches Engagement verlangt. Die USA führen in diesem Bereich vor allem durch starke privatwirtschaftliche Initiativen, die technologische Standards setzen.
Die Zukunft des Geldsystems ist noch offen – mit staatlich kontrollierten Zentralbankwährungen und privatwirtschaftlichen Stablecoins formieren sich unterschiedliche Ansätze. Daneben werden Mischformen gesehen und bilden sich zunehmend Projekte zu tokenisierten Einlagen. Entscheidend für Europa ist, Standards von Beginn an aktiv mitzugestalten.
Die EZB treibt mit ihrem Projekt zum digitalen Euro die Digitalisierung des Geldsystems in Europa voran – ein bedeutender Beitrag zur technologischen Weiterentwicklung, der unabhängig von der Bewertung einzelner Ergebnisse Anerkennung verdient. Während der Retail-Euro vor allem auf Verbraucher und den Zahlungsverkehr in Geschäften, Restaurants oder e-commerce ohne Blockchain-Technologie abzielt, verfolgt die EZB im Wholesale-Bereich die Integration von Blockchain-Technologie in die Abwicklung von Großbetragszahlungen zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken. Das kurzfristig angelegte Projekt Pontes soll bis Ende 2026 eine Brücke zwischen Distributed-Ledger-Plattformen und den bestehenden TARGET-
14 McKinsey (2021) Central bank digital currency and stablecoin: Early coexistence on an uncertain road | McKinsey; Österreichischen Nationalbank (OeNB) und BCG (2025) Euro Money Tokens: Potential Economic Role of CBDCs and Euro- Denominated Stablecoins – Oesterreichische Nationalbank (OeNB)
Diensten15 schlagen, um Transaktionen in Zentralbankgeld zu ermöglichen. Ziel ist ein Zahlungssystem, das eine sichere, transparente und effiziente Abwicklung erlaubt. Das langfristig ausgerichtete EZB-Projekt Appia hingegen verfolgt die Vision eines innovationsfreundlichen, integrierten Finanzökosystems, das über Europas Grenzen hinaus anschlussfähig sein soll. Geplant ist eine moderne Infrastruktur, die programmierbare Finanzprozesse, Automatisierung durch smart contracts und die Konsolidierung von Handels-, Abwicklungs- und Verwahrfunktionen ermöglicht.16
Während der digitale Euro für den Interbankenmarkt viel Zustimmung erhält, erfährt die Verbrauchervariante viel Gegenwind. Zwar verfolgt die EZB das richtige und wichtige Ziel, die europäische Souveränität im Zahlungsverkehr zu stärken und eine Alternative zu den amerikanisch geprägten privatwirtschaftlichen Zahlungslösungen zu schaffen. Auch das Argument, eine staatlich digitale Form des Bezahlens für Krisenfälle zu haben, ist von Bedeutung. Doch für Kritiker bleibt bislang unklar, welches konkrete Problem der digitale Euro im Retailbereich außer geopolitischer Risiken tatsächlich lösen soll. 17 Bestehende Zahlungssysteme seien effizient, sicher und weit verbreitet – sowohl im stationären Handel als auch im e-commerce. Es drohe ein zusätzliches staatliches Angebot, das ohne klaren Nutzen erhebliche Kosten verursacht und die bewährte Infrastruktur unnötig dupliziert.18 Zudem wird befürchtet, dass der Abfluss von Einlagen bei Banken negative Auswirkungen auf das Kreditgeschäft haben könnte.
Jeglicher technische Fortschritt im Zahlungsverkehr, der zu einer deutlichen Verbesserung führt, ist begrüßenswert. Doch bieten die bislang von der EZB angestrebten Lösungen für Industrieunternehmen keinen Nutzen. Der digitale Euro im Retail-Bereich verzichtet vollständig auf eine Blockchain-Infrastruktur und ist damit ungeeignet für automatisierte Lieferkettenprozesse, programmierbare Zahlungen oder die Integration in digitale Geschäftsabläufe. Die Wholesale-Variante hingegen soll zwar auf DistributedLedger-Technologie basieren, konzentriert sich jedoch primär auf den Finanzsektor und die Abwicklung klassischer Interbankenzahlungen. Industrielle B2B-Anwendungsfälle bleiben bislang unberücksichtigt. Das Projekt Appia, das langfristig ein innovationsfreundliches, programmierbares Finanzökosystem schaffen soll, bietet zwar grundsätzlich
15 TARGET-Dienste sind zentrale Zahlungssysteme des Eurosystems zur Abwicklung von Geld-, Wertpapier- und Echtzeitzahlungen in Zentralbankgeld. Sie bestehen aus T2 (Großbetragszahlungen), T2S (Wertpapierabwicklung), TIPS (Instant Payments) und ECMS (Sicherheitenmanagement) und bilden die technische Grundlage für den europäischen Zahlungsverkehr.
16 EZB (2025) ECB commits to distributed ledger technology settlement plans with dual-track strategy; EZB (2025) Der digitale Euro (D€)
17 Navarrete (2025) 8. Do we really need the digital euro: a solution to what problem exactly?
18 PwC (2025) Digital Euro Cost Study – PwC
Potenzial für industrielle Anwendungen. Für viele Unternehmen, die bereits heute mit digitalen Geschäftsmodellen und globalen Lieferketten arbeiten, kommt Appia jedoch möglicherweise zu spät. Ohne eine zeitnahe, industriekompatible Lösung droht die EZB den Anschluss an privatwirtschaftliche Entwicklungen zu verlieren, die bereits funktionale Blockchain-basierte Zahlungssysteme für B2BProzesse anbieten.
Die Digitalisierung des Geldsystems könnte – abhängig von seiner Ausgestaltung – Zentralbanken näher an realwirtschaftliche Unternehmen rücken.
Geschäftsbankengeld in tokenisierter Form
Eine weitere diskutierte digitale Geldform ist der Giralgeldtoken. Er ermöglicht die Abbildung von Geschäftsbankengeld auf einer Blockchain und bietet die gleiche Sicherheit, Stabilität und Regelkonformität wie das klassische Geschäftsbankengeld. Damit bildet er die Grundlage für programmierbare Zahlungen, automatisierte Prozesse und digitale Geschäftsmodelle. Er könnte effizient in industrielle Wertschöpfungsketten integriert werden und böte – ähnlich wie Stablecoins – Potenzial für Kosteneinsparungen und die Digitalisierung grenzüberschreitender Zahlungen.19 Aktuell befindet sich ein Konzept in einem deutschem Reallabor, das von einer kleinen Anzahl deutscher Banken gemeinsam mit gewissen industriellen Großkunden betrieben wird. 20 Eine weitere Erprobung findet in der Schweiz 21 , Großbritannien 22 und in Frankreich 23 statt. Zudem führen die Großbanken JP Morgan und HSBC tokenisiertes Giralgeld für institutionelle Kunden ein.24
Der Giralgeldtoken erfüllt zentrale Anforderungen der Industrie. Er basiert auf einem bestehenden Instrument –dem Geschäftsbankengeld – und überträgt dieses in eine neue technologische Form. Dadurch sind nur geringe Anpassungen bei Buchhaltung, Bilanzierung und regulatorischen Prozessen nötig. Ein weiterer Vorteil könnte die einheitliche Abbildung des Euro in der DLT-Prozesswelt sein, was gegenüber anderen digitalen Geldformen wie Stablecoins zu höherer Akzeptanz und potenziell einfacheren
19 Bankenverband (2023) Working Paper zum Commercial Bank Money Token
20 BDI (2024) Commercial Bank Money Token
21 Neue Zürcher Zeitung (2025) Schweizer Banken entwickeln Antwort auf Stablecoins – Der digitale Franken
22 Crédit Agricole (2025) Report
23 Cointelegraph (2025) UK Finance Works With Quant For Tokenised Sterling Deposits
24 BTEcho (2025) J.P. Morgan deklassiert EZB: So schafft man einen Geldstandard, Bloomberg Law (2025) HSBC Starts Tokenized Deposits to Move Currencies Across Borders
Abläufen führt. Noch fehlt bislang regulatorische Klarheit.25 Damit sich der Giralgeldtoken als interoperabler Standard etablieren kann und betreffende Vorteile realisiert werden können, ist er auf eine breite Beteiligung im deutschen und europäischen Raum angewiesen. Der gleichen Herausforderung sieht sich der Stablecoin ausgesetzt.
Giralgeldtoken sind digitale Abbilder des Buchgelds, das sich heute auf klassischen Bankkonten befindet. Sie sollen von Geschäftsbanken ausgegeben werden und fänden Anwendung in programmierbaren, digitalen Ökosystemen. Giralgeldtoken haben das Potenzial, Effizienz, Datensouveränität und regulatorischen Schutz mit industrieller Skalierbarkeit und der Anbindung an andere digitale Zahlungsmittel zu verbinden. Wichtig für den Erfolg des Produkts ist, dass es von einer ausreichend großen Menge an Banken angeboten und die Interoperabilität sichergestellt wird.
Stablecoins haben sich in den letzten Jahren als dynamisch wachsender Bestandteil des digitalen Finanzsystems etabliert. Ihre Marktkapitalisierung lag im September 2025 bei rund 280 Milliarden US-Dollar, mit täglichen Transaktionen von etwa 180 Milliarden US-Dollar.26 Trotz ihres bislang sehr geringen Anteils an den globalen Geldflüssen zeigen sie ein starkes Wachstum und ein erhebliches Potenzial für die Zukunft. Stablecoins ermöglichen schnelle, kostengünstige und transparente Zahlungen – unabhängig von Banköffnungszeiten, geografischen Grenzen oder traditionellen Intermediären. Sie adressieren zentrale Schwächen bestehender Zahlungssysteme, etwa lange Abwicklungszeiten, eingeschränkte Verfügbarkeit und mangelnde Effizienz. Mit zunehmenden technologischen Fortschritten und regulatorischer Klarheit – bspw. durch MiCAR in der EU und GENIUS Act in der USA - gewinnen Stablecoins weiter an Relevanz. Sie bieten unter anderem neue Möglichkeiten für grenzüberschreitende Zahlungen. Ob Stablecoins sich als integraler Bestandteil internationaler Zahlungssysteme etablieren, dürfte sich in den kommenden Jahren zeigen.27 Eine größere Initiative mehrerer europäischer Großbanken gab bereits die Ausgabe
eines gemeinsamen europäischen Stablecoins bekannt.28 Zudem integriert die Deutsche Börse Stablecoins wie USDC (an den US-Dollar gekoppelt) und EURC (an den Euro gekoppelt) in ihre Infrastruktur.29
Trotz ihres Potenzials sehen Industrieunternehmen bei der Nutzung von Stablecoins Herausforderungen. Da sie überwiegend auf öffentlichen Blockchains ausgegeben werden, sind sämtliche Transaktionen dauerhaft und vollständig einsehbar – beispielsweise über Plattformen wie Etherscan im Ethereum-Netzwerk. Zwar sind die Wallet-Adressen pseudonymisiert, doch moderne Analysetools ermöglichen eine Verknüpfung mit realen Personen oder Unternehmen. Besonders kritisch sind die sogenannten On-/Off-Ramps30 An diesen Punkten werden personenbezogene Daten mit Transaktionshistorien zusammengeführt, wodurch auch in vermeintlich anonymen Netzwerken wie Bitcoin eine Nachverfolgbarkeit von Zahlungen möglich wird. Zur Adressierung dieser Risiken kommen zunehmend kryptografische Verfahren wie Zero-Knowledge-Proofs zum Einsatz, mit denen sich die Vertraulichkeit von StablecoinTransaktionen sicherstellen lässt. 31
Die Dominanz des US-Dollars bei Stablecoins als denominierte Währung verdeutlicht die geopolitische Dimension des Themas. Zwar schafft MiCAR in Europa erstmals regulatorische Klarheit, doch die starke Fragmentierung – etwa durch verschiedene Euro- oder USDStablecoins – erhöht die Komplexität in der Zahlungsabwicklung und erschwert eine konsistente Steuerung von Liquidität und Zahlungsprozessen in Unternehmen. Zudem fehlen bislang rechtliche Rahmenbedingungen, die eine Gleichbehandlung mit bestehendem Zahlungsmittel wie Bargeld ermöglichen – etwa in der Bilanzierung oder bei der steuerlichen Behandlung. Und es entsteht ein höheres Emittentenrisiko im Vergleich zu Bankprodukten, wenn Stablecoins nicht von Banken ausgegeben werden.
25 Zum Erstellungszeitpunkt des Papiers befand sich ein entsprechender Antrag bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht noch in Bearbeitung.
26 Coinmarketcap (2025) Cryptocurrency Prices, Charts And Market Capitalizations | CoinMarketCap
27 McKinsey (2025) Stablecoins payments infrastructure for modern finance | McKinsey
28 ING (2025) Nine major European banks join forces to issue stablecoin | ING
29 Handelsblatt (2025) Kryptowährung: Deutsche Börse öffnet Infrastruktur für Stablecoins
30 Schnittstellen, an denen Kryptowährungen in staatliches Fiatgeld umgetauscht werden.
31 CoinDesk (2025) Crypto Custody Firm Taurus Releases Open Source Privacy Tech for Stablecoins; Circle (2025) Introducing Arc: An L1 Blockchain for Stablecoin Finance
Abb.: MiCAR vs. GENIUS Act
Aspekt MiCAR (EU)
Strategisches Ziel
Regulatorischer Fokus
Stablecoin-Perspektive
Internationaler Anspruch
Innovation vs. Kontrolle
Marktintegration & Innovationsförderung
Harmonisierung des EU-Kryptomarkts
Teil eines breiten Krypto-Rahmens
EU-weite Regeln mit Passporting
Förderung von FinTechs & Wettbewerb
Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether haben sich in den letzten Jahren von einem Nischenphänomen zu einem globalen Anlageinstrument entwickelt. Ihre Marktkapitalisierung erreichte 2024 ein Allzeithoch von rund 3,7 Billionen US-Dollar, bevor sie im ersten Quartal 2025 wieder auf 2,8 Billionen US-Dollar fiel – ein Ausdruck ihrer extremen Volatilität. Bitcoin war 2024 etwa doppelt so volatil wie Gold und dreimal so volatil wie der S&P 500.32 Die hohe Preisunsicherheit macht Kryptowährungen wenig attraktiv als Zahlungsmittel. Es gibt jedoch Beispiele, wo sie als Bezahlmittel im Einsatz sind.33 Eine größere Bedeutung haben sie als spekulative Investments, sowohl von Privatanlegern als auch institutionellen Investoren. Jedoch hat sich ihre Korrelation mit Aktienmärkten seit 2020 deutlich erhöht, was ihre Rolle als Risikoträger unterstreicht und die ursprünglich erhofften Diversifikationseffekte relativiert.34 Dennoch erfüllen Kryptowährungen eine wichtige Funktion: Sie spielen eine zentrale Rolle in offenen Blockchain-Netzwerken, da sie als Anreizmechanismus dienen, um die Integrität und Sicherheit dieser dezentralen Infrastrukturen spieltheoretisch abzusichern. Ohne solche wirtschaftlichen Anreize wäre es deutlich schwieriger, vertrauenswürdige und stabile Systeme ohne zentrale Kontrolle zu gewährleisten.
32 EZB (2025) Just another crypto boom? Mind the blind spots
33 NZZ (2025) Spar Schweiz lässt Kunden mit Bitcoin und Co. bezahlen
34 IWF (2022) Crypto Prices Move More in Sync With Stocks, Posing New Risks
GENIUS Act (USA)
Stärkung des US-Dollars sowie fiskalische Aspekte
Geopolitische Positionierung des USD
Kerninstrument zur Währungsdominanz
Extraterritoriale Wirkung zur Bindung an US-Markt
Kontrolle & Vertrauen durch strenge Zulassung
Kryptowährungen bieten für Industrieunternehmen nur einen begrenzten praktischen Nutzen im operativen Zahlungsverkehr. Zwar gibt es in einigen Schwellenländern Anwendungen im Bereich grenzüberschreitender Zahlungen, doch in entwickelten Volkswirtschaften überwiegt die Nutzung als Anlageklasse. 35
Stablecoins gewinnen rasant an Bedeutung und eröffnen neue Möglichkeiten für globale, effiziente und transparente Zahlungen. Mit wachsender regulatorischer Klarheit und technologischen Fortschritten rücken sie zunehmend ins Blickfeld – doch Datenschutz, ein mögliches zusätzliches Ausfallrisiko, Interoperabilität und die Dominanz des US-Dollars bleiben zentrale Herausforderungen.
35 EZB (2023) Global and local drivers of Bitcoin trading vis-à-vis fiat currencies
Kryptowährungen sind volatil und als Zahlungsmittel kaum geeignet. Für die Industrie bleibt ihr praktischer Nutzen begrenzt.
Digitale Zahlungsmittel sind im Kommen — doch für die Industrie fehlen noch die passenden Lösungen. Jetzt sind EZB, Banken, E-GeldInstitute und Gesetzgeber gefragt.
Hat die deutsche Industrie die Qual der Wahl?
Noch nicht. Zwar sind die technologischen Entwicklungen rund um digitales Geld in Teilen weit fortgeschritten, doch für Industrieunternehmen fehlt es weiterhin an breit verfügbaren, praxistauglichen Lösungen. Digitale Zahlungsmittel sind längst mehr als ein technisches Detail im Zahlungsverkehr – sie entwickeln sich zu einem strategischen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften. Es geht nicht nur um Effizienzgewinne bei Transaktionen, sondern um die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu erschließen, etwa durch automatisierte Zahlungen zwischen Maschinen, intelligente Verträge oder die Integration digitaler Währungen in industrielle Plattformen.
Die Bedeutung digitaler Währungen für die Industrie muss daher umfassend anerkannt werden. Künftig wird die Wettbewerbsfähigkeit von Währungsräumen einen nicht unwesentlichen Anteil an der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit von Industrieunternehmen einnehmen. Wer über eine leistungsfähige digitale Infrastruktur verfügt, kann Innovationen schneller umsetzen, Kosten senken und neue Märkte erschließen. In diesem Kontext ist es entscheidend, dass der Euro eine aktive Rolle im digitalen Raum spielt. Während der US-Dollar bereits durch privatwirtschaftliche Stablecoins auf der Blockchain stark präsent ist, werden Euro-Lösungen bislang in deutlich kleineren Dimensionen angeboten. Da es denkbar ist, dass sich größere Teile des globalen Finanzsystems perspektivisch mittels der Blockchain-Technologie abbilden lassen, wäre es umso wichtiger, dass der Euro in diesem Umfeld nicht abgehängt wird.36, 37
Dabei stellt sich die Frage, wer eine digitale Währungslösung für die Industrie bereitstellen soll. Staatlich oder privat? Oder eine Mischform? Die Meinungen gehen auseinander. Während Innovationsfähigkeit und die Fähigkeit, schnell auf neue Trends zu reagieren, eher im Privatsektor liegen, könnte eine staatliche Lösung die gewünschte flächendeckende Standardisierung ermöglichen. Für die deutsche Industrie ist entscheidend, dass alle relevanten Akteure – EZB, Banken, E-Geld-Institute und der Gesetzgeber – die Dringlichkeit erkennen. Der Handlungsbedarf ist akut.
Die deutsche Industrie steht vor dem Risiko, ihren Vorsprung zu verlieren. Denn digitale Zahlungsmittel werden zum strategischen Wettbewerbsfaktor. Doch ohne praxistaugliche Euro-Lösungen auf der Blockchain droht der US-Dollar im digitalen Raum seine Dominanz weiter auszubauen – zulasten der europäischen Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Industrie ist sich dieser Entwicklung bewusst und wird die Gestaltung dieses soziotechnologischen Wandels weiterhin aktiv mitgestalten.
Banken und E-Geld-Institute als mögliche Taktgeber
Es ist vorstellbar, dass die ersten praxistauglichen Lösungen für digitales Geld aus dem Finanzsektor kommen werden. Dabei ist es jedoch entscheidend, dass diese Entwicklungen nicht nur auf Geschwindigkeit setzen, sondern auch auf eine breite Standardisierung bzw. Interoperabilität. Nur wenn digitale Zahlungsmittel definierte Anforderungen erfüllen, können sie ihr volles Potenzial in der industriellen Anwendung entfalten.
Banken stehen dabei unter erheblichem Druck. Insbesondere in den USA geraten sie zunehmend in Konkurrenz zu Stablecoin-Anbietern, die mit hoher Innovationsgeschwindigkeit und wachsender Marktdurchdringung agieren. Gleichzeitig sind die notwendigen Investitionen in digitale Währungslösungen hoch, und es ist derzeit noch unklar, welches Modell sich langfristig durchsetzen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Konsortiumslösung, wie sie von amerikanischen Banken derzeit geprüft wird und von einigen europäischen Großbanken angeboten werden soll, denkbar – insbesondere, um Skaleneffekte zu nutzen und regulatorische Anforderungen gemeinsam zu adressieren.38 Aber auch um den Kunden ein möglichst einheitliches Produkt anzubieten, dass bei der Nutzung mit vielen Akteuren ohne unnötige Medienbrüche auskommt.
Mit gezielten Anpassungen könnten Stablecoins auch für industrielle Anwendungen nutzbar werden. Bei deren Weiterentwicklung spielen Datenschutz und Sicherheit eine zentrale Rolle. Besonders vielversprechend sind Ansätze wie sogenannte Zero-Knowledge-KYC-Verfahren.39
36 SWIFT entwickelt eine Blockchain-Plattform als Reaktion auf den Aufstieg von Stablecoins, um Echtzeit-Transaktionen und Interoperabilität zwischen Banken zu ermöglichen; über 30 Institute nehmen an der Pilotphase teil.
37 SWIFT (2025) Swift to add blockchain-based ledger to its infrastructure stack
38 Wall Street Journal (2025) Exclusive | Big Banks Explore Venturing Into Crypto World Together With Joint Stablecoin – WSJ, ING (2025) Nine major European banks join forces to issue stablecoin | ING 39 Dabei müssen Nutzer nicht mehr alle persönlichen Daten offenlegen, sondern können lediglich nachweisen, dass sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen – etwa ein Mindestalter, einen Wohnsitz in einem bestimmten Land oder dass sie nicht auf Sanktionslisten stehen. So lassen sich regulatorische Anforderungen erfüllen, ohne die Privatsphäre unnötig zu gefährden.
Darüber hinaus könnten Stablecoin-Protokolle künftig mit optionalen Privacy-Layern ausgestattet werden. Diese würden es Nutzern ermöglichen, je nach Bedarf zwischen vollständig transparenten und datenschutzfreundlicheren Transaktionen zu wählen. Auch bei digitalen Geldbörsen sind zusätzliche Sicherheitsfunktionen40 denkbar. Mittels eines Konsortiums könnten einer potenziell erhöhten Komplexität in der Zahlungsabwicklung aufgrund vieler unterschiedlicher Stablecoin-Anbieter entgegengewirkt werden. Dies würde auch für eine konsistente Steuerung von Liquidität und Zahlungsprozessen in Unternehmen sorgen. Für eine Gleichbehandlung mit bestehenden Zahlungsmitteln wären zudem rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen anzupassen. Hinsichtlich möglicher Fragestellungen zum Vertrauen könnte die Ausgabe der Stablecoins durch Banken oder die enge Zusammenarbeit von technologischen Unternehmen mit Banken eine Lösung sein. Eine zumindest aktuell adäquat wirkende Regulierung ist bereits in Kraft.
Mit der deutlichen Zunahme von Initiativen zu Giralgeldtoken rücken diese zunehmend als mögliche Lösung in den Mittelpunkt. Sie könnten von regulierten Banken ausgegeben werden und wären direkt an bestehende Zahlungssysteme angebunden. Vorteile für Industrieunternehmen liegen in den Bereichen Stabilität, regulatorische Einbindung und die Integration in bestehende Prozesse, insbesondere dort, wo hohe Anforderungen an Compliance und Verlässlichkeit bestehen.
Für die industrielle Nutzung ist sowohl bei Giralgeldtoken als auch beim Stablecoins von zentraler Bedeutung, dass sie weiterhin frühzeitig in die Entwicklung eingebunden wird. Nur durch eine enge Abstimmung zwischen Finanzsektor, Technologieanbietern und Industrie können die spezifischen Anforderungen der Wirtschaft von Anfang an berücksichtigt werden. Sowohl in technischer als auch in strategischer Hinsicht.
Ohne einheitliche Standards oder interoperable Lösungen bleibt das Potenzial digitaler Zahlungsmittel ungenutzt. Konsortiumsmodelle für Giralgeldtoken oder Stablecoins bieten echte Chancen – vorausgesetzt, sie werden frühzeitig mit den Anforderungen der Industrie verzahnt.
40 Dazu zählen etwa automatische Adresswechsel oder technische Verfahren zur Verschleierung von Transaktionsdaten auf der Blockchain, die sensible Informationen besser schützen können.
Die aktuelle Konzeption des digitalen Euro durch die EZB berücksichtigt bislang keine B2B-Anwendungsfälle. Damit ist das Projekt für Industrieunternehmen nur eingeschränkt relevant. Sollte sich die EZB entscheiden, industrielle Anforderungen künftig stärker zu berücksichtigen, wären mehrere Optionen denkbar. Eine Möglichkeit bestünde darin, den digitalen Euro ähnlich zu gestalten, wie es die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate mit ihrem Digital Dirham vorsieht. Ein Kernelement ist dabei die Nutzung einer Blockchain-basierten Lösung. Alternativ könnte die Wholesale-Variante des digitalen Euro, die bislang nur für Interbankentransaktionen vorgesehen ist, auch für Unternehmen geöffnet werden. Eine Zwischenlösung könnte darin bestehen, auf Basis der Digital Euro Settlement Platform (DESP) der Retail-Variante eine zusätzliche Plattformebene zu schaffen, die gezielt für industrielle Anwendungen nutzbar ist, darunter auch Blockchain.
Da derzeit nicht absehbar ist, ob die Finanzwirtschaft eigenständig eine tragfähige Lösung für digitale B2B-Zahlungen entwickeln wird, sollte die EZB ihre Aktivitäten in diese Richtung konsequent weiterentwickeln und dafür einen Zeitplan und einen technischen Rahmen festlegen. Insbesondere wenn die EZB selbst Blockchain-basierte oder andere Anwendungen bereitstellt, müssen die Anforderungen von Industrieunternehmen frühzeitig berücksichtigt werden. Die deutsche Industrie ist bereit, diesen Prozess weiterhin aktiv mitzugestalten.
Der digitale Euro bleibt für die Industrie bislang ein Vorhaben ohne direkte Anwendbarkeit in industriellen Kontexten. Ohne Berücksichtigung von B2B-Anwendungsfällen droht die EZB, zentrale Anforderungen der Wirtschaft zu übersehen – dabei wäre die Öffnung für eine industrielle Nutzung technisch und strategisch möglich. Die Industrie steht bereit, diesen Weg weiterhin aktiv mitzugestalten.
Offene Innovationskultur politisch flankiert
Politische Entscheidungsträger sind gefordert, eine innovationsfreundliche Haltung einzunehmen und regulatorische Rahmenbedingungen aktiv weiterzuentwickeln. Die Digitalisierung des Geldsystems sollte als soziotechnologischer Wandel verstanden werden, bei dem technologische Innovationen nicht isoliert wirken, sondern bestehende wirtschaftliche Strukturen, regulatorische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Erwartungen neu ausrichten. Die Einführung digitaler Zahlungsmittel verändert nicht nur Prozesse. Sie verändert Rollen, Verantwortlichkeiten und die Art, wie Wertschöpfung organisiert wird. Daher gilt: Digitale Währungen sind kein isoliertes Finanzthema. Ihre strategische Relevanz verlangt eine enge Verzahnung von Wirtschafts-, Digital- und Finanzpolitik.
Die jüngsten Sicherheitsprobleme von PayPal41 haben erneut gezeigt, wie abhängig Europa in zentralen Bereichen des Zahlungsverkehrs von außereuropäischen Anbietern ist. Um technologische Souveränität zu stärken, müssen europäische Lösungen gefördert und die Regulatorik für Innovationen angepasst werden. Auch auf Technologieneutralität ist zu achten. Datenschutzanforderungen wären demnach unabhängig von der eingesetzten Technologie zu erfüllen. Die Blockchain-Technologie darf dabei nicht pauschal als datenschutzfeindlich eingestuft werden.
Neue Standards im Zahlungsverkehr können helfen, Lösungen im Markt leichter zu skalieren. Die MiCAR liefert einen guten Ausgangspunkt. Auch das Gesetz über elektronische Wertpapiere sollte konsequent weiterentwickelt werden – etwa durch die Zulassung von Kryptoinhaberaktien, blockchainbasierter Aktionärskommunikation und smart contracts. Damit könnten tokenisierte Finanzinstrumente breiter genutzt und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gesichert werden. Dazu sollten Stablecoins steuerlich und bilanziell analog zu bestehenden Zahlungsmitteln behandelt werden oder zumindest keine signifikanten Nachteile mehr erleiden. In der Verordnung zum digitalen Euro sollte die EZB verpflichtet werden, auch B2B-Anwendungen zu berücksichtigen. Europäische Gesetzgeber sind aufgefordert, entsprechende Ansätze zu berücksichtigen, um den digitalen Euro von Beginn an als industrietaugliches Zahlungsmittel zu etablieren.
Politik muss Innovationen mutig und neugierig gegenüberstehen, die Regulatorik auf Innovationshemmnisse prüfen und technologische Souveränität stärken. Digitale Währungen sind Treiber wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformation – sie verdienen eine enge Verzahnung von Wirtschafts, Digital und Finanzpolitik.
BIS Bank of International Settlement
B2B Business to Business
CBDC Central Bank Digital Currency
EUR Euro
EZB Europäische Zentralbank
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Herausgeber
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Breite Straße 29 10178 Berlin
T.: +49 30 2028-0 www.bdi.eu
Ansprechpartner
Sven Schönborn
Senior Representative Research, Industrie- und Wirtschaftspolitik
Geschäftsführer BDI-Ausschuss
Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte s.schoenborn@bdi.eu
Konzeption & Umsetzung
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Layout & Satz
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Stand
Oktober 2025
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Publikation
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