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3. Oktober 2025, 19:30 Uhr
Großer Saal
Klänge sehen – Bilder hören
Mo, 6. Okt 2025, 19:30
3. Oktober 2025, 19:30 Uhr
Großer Saal
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Mo, 6. Okt 2025, 19:30
Der Pianist und Komponist Matan Porat improvisiert die Begleitmusik zu Buster Keatons legendärer Stummfilmkomödie The General
Di, 7. Okt 2025, 19:30
Das einzigartige Chineke! Orchestra bringt William Levi Dawsons Negro Folk Symphony und Ludwig van Beethovens ›Tripelkonzert‹ mit drei fulminanten Solist:innen auf die Bühne.
Mi, 8. Okt 2025, 19:30, Salzstadel Linz
Das sonic.art Saxophonquartett liefert den Live-Soundtrack zum dokumentarischen Stummfilm Berlin – Die Sinfonie der Großstadt von 1926 mit Werken aus der Entstehungszeit des Films.
Fr, 10. Okt 2025, 19:30
Juergen Maurer & Solistenensemble D’Accord
Das Solistenensemble D’Accord und Juergen Maurer präsentieren Richard Wagners romantische Oper Lohengrin in einer Paraphrase für Streichsextett und Sprecher.
Biografien Antonín Dvořák // Symphonie Nr. 7 d-Moll brucknerfest.at
Das Programm auf einen Blick
Kaum ein Werk thematisiert die Verbindung zwischen Visuellem und Klang so vielschichtig wie Modest Mussorgskis Bilder einer Ausstellung. Jede der zehn Nummern mit Titeln wie Der Gnom, Das alte Schloss, Die Hütte auf Hühnerfüßen oder Das Heldentor repräsentiert ein Bild des im Jahr vor der Komposition gestorbenen Künstlers Viktor Hartmann. Mussorgski schrieb den Zyklus nach dem Besuch einer Ausstellung mit mehr als 400 Werken Hartmanns in St. Petersburg und vertonte in den Promenaden zwischen den bildbezogenen Nummern zugleich das Flanieren von einem Gemälde zum nächsten.
Diesem Bilderreigen stellt die vielfach ausgezeichnete slowakische Organistin Zuzana Ferjenčíková in der ersten Konzerthälfte mit Sergei Rachmaninoffs Toteninsel ein Werk entgegen, das von Arnold Böcklins gleichnamigem Gemälde inspiriert wurde, sowie Franz Liszts Prometheus, dessen Bildkraft sich wiederum aus Johann Gottfried Herders dramatischem Gedicht Der entfesselte Prometheus speist.
Zuzana Ferjenčíková Orgel
Sergei Rachmaninoff 1873–1943
Die Toteninsel. Symphonische Dichtung nach dem berühmten Gemälde von Böcklin op. 29 // 1909
Transkription für Orgel von Louis Robilliard
Franz Liszt 1811–1886
Prometheus. Symphonische Dichtung S. 99 // 1850–55
Transkription für Orgel von Jean Guillou
// Pause //
Modest Mussorgski 1839–1881
Bilder einer Ausstellung. Erinnerungen an
Viktor Hartmann // 1874
Transkription für Orgel von Jean Guillou
Promenade
Nr. 1 Gnomus
Der Gnom
Promenade
Nr. 2 Il vecchio Castello
Das alte Schloss
[Promenade]
Nr. 3 Tuilleries (Dispute d’enfants après jeux)
Die Tuilerien (Spielende Kinder im Streit)
Nr. 4 Bydło
Der Ochsenkarren
[Promenade]
Nr. 5 Балет
Ballett der unausgeschlüpften Küken
Nr. 6 »Samuel« Goldenberg und »Schmuÿle«
Promenade
Nr. 7 Limoges. »Le marché« (La grande nouvelle)
Limoges. »Der Marktplatz« (Die große Neuigkeit)
Nr. 8 Catacombae (Sepulcrum romanum)
Die Katakomben (Römische Gruft)
Cum mortuis in lingua mortua
Mit den Toten in einer toten Sprache
Nr. 9
Die Hütte auf Hühnerfüßen (Baba-Jaga)
Nr. 10
Das Heldentor (in der alten Hauptstadt Kiew)
Konzertende: ca. 21:15 Uhr
Sergei Rachmaninoff // Die Toteninsel
Auf die Frage, was er mit seinen Bildern denn konkret aussagen wolle, soll der Maler Arnold Böcklin mit Verweis auf sein Gemälde Die Toteninsel schlicht geantwortet haben: »Das, was Sie sehen. Ich male nur Bilder und keine BilderRätsel!« Eine trotz ihres lapidaren Tonfalls doppelbödige Antwort, bedenkt man, dass Böcklin mit seinen oft auf mythologische Motive zurückgreifenden Bildern heute als einer der führenden Vertreter des Symbolismus gilt; jener Strömung also, die am Ende des 19. Jahrhunderts »eine Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszusprechen« versuchte, wie es der Dichter Jean Moréas 1886 in seinem Manifest Le symbolisme formulierte. Genau diese Zwischenwelt, in der das Auszudrückende nicht greifbar wird und das Dargestellte dennoch, anders als etwas später im Expressionismus, eindeutig, fast naturalistisch vor uns liegt, eröffnet sich auch in Böcklins Toteninsel. Wobei es die Toteninsel streng genommen gar nicht gibt: Ganze fünf verschiedene Versionen fertigte der Maler zwischen 1880 und 1886 an. Die Urfassung entstand für die Kunstförderin Marie Berna (später: Marie von Oriola), die bei Böcklin »ein Bild zum Träumen« bestellt hatte. Diese erste Version –heute im Kunstmuseum Basel – hielt dieser allerdings unter Verschluss und fertigte für Berna eine zweite, in dunklere Farbtöne getauchte Fassung an (Metropolitan Museum of Art, New York City). Auf Drängen des Kunsthändlers Franz Gurlitt entstand 1883 die dritte Version, die 1933 in den Besitz von Adolf Hitler kam, nach dem Zweiten Weltkrieg als verloren galt und erst 1980 wieder auftauchte (Nationalgalerie in Berlin). Die vierte, 1884 von Victor Benary bestellte Fassung ist heute verschollen, vermutlich während des Zweiten Weltkriegs in Berlin verbrannt und einzig durch ein SchwarzWeißFoto erhalten, wohingegen die fünfte Fassung 1886 vom Museum der bildenden Künste Leipzig in Auftrag gegeben wurde, wo sie noch heute zu sehen ist.
Sergei Rachmaninoff // Die Toteninsel
Wie viele andere seiner Kollegen ließ sich auch Sergei Rachmaninoff 1909 von der schweigenden Kraft der Toteninsel – Böcklin selbst nannte das Bild »Ein stiller Ort« – zu einer Komposition inspirieren – und das noch ehe er eines der originalen Bilder überhaupt zu Gesicht bekommen hatte, wie er sich 1927 in einem Interview im Musical Observer erinnerte: »Zunächst hatte ich nur eine [Schwarz-Weiß-]Fotografie des berühmten Gemäldes von Böcklin in Dresden gesehen. Die wuchtige Architektur und die mystische Aussage des Bildes haben mich sehr beeindruckt und so entstand die Tondichtung. Später sah ich das originale Bild in Berlin. Die Farbgebung des Bildes hat mich nicht sonderlich berührt. Hätte ich zuerst das Original gesehen, hätte ich meine Toteninsel vielleicht nie komponiert. Mir gefällt das Bild am besten in schwarzweiß.«
Wiewohl einsätzig komponiert, lässt sich Rachmaninoffs Toteninsel formal in drei nahtlos miteinander verknüpfte Abschnitte einteilen. Die Szenerie eröffnet dabei ein im 5/8Takt schwankendes ›WellenMotiv‹, das sich von den tiefen zu den hohen Streichern ausbreitet, sowohl das Wogen des Meeres als auch das Schlagen des Ruders darstellend. Indessen erhebt sich in den Bläserstimmen ein mysteriöses Halbtonpendel, das sich spätestens mit dem Einsatz der Oboe als Kern des gregorianischen »Dies irae«Motivs entpuppt, jenes mittelalterlichen Hymnus über das Jüngste Gericht, der sich in Werken wie der 1. Klaviersonate op. 28 den Symphonischen Tänzen op. 45 oder der Tondichtung Die Glocken op. 35 wie ein roter Faden durch Rachmaninoffs Œuvre zieht. Nach und
»Mein Komponieren geht langsam voran. Ich mache lange Spaziergänge auf dem Land. Mein Auge erfasst die hellen Lichtblitze auf frischem Laub nach dem Regen; meine Ohren das raschelnde Entfalten der Wälder. Oder ich beobachte die blasse Färbung des Himmels über dem Horizont nach dem Sonnenuntergang, und dann kommen sie: alle Stimmen auf einmal. […] Alle. Das Ganze wächst. So auch bei der Toteninsel. Ich habe alles im April und Mai [1909] gemacht. Wann es zu mir kam und wie es begann – wie kann ich das sagen? Es entstand in mir, entwickelte sich und wurde aufgeschrieben.«
Sergei Rachmaninoff
nach lichtet sich der so aufgezogene Schleier und gibt den Blick auf gespenstisch raunende Figuren der Streicher, irrlichternde Staccati und schaurige Triller frei, ehe die Musik nach einer gewaltigen Steigerungspassage ins Pianissimo absinkt und choralhafte Blechbläserakkorde den Eintritt zur Insel symbolisieren. Was darauf folgt, hat mit dieser düsteren Grundstimmung allerdings nichts mehr gemein: Eine über flirrenden Tremoli weit ausschwingende Es-Dur-Melodie im wiegenden 3/4Takt, die von den Violinen und Holzbläsern ausgehend schließlich das ganze Orchester ergreift, steigert sich zu ekstatischer Klangpracht, gewinnt an Tempo und Dramatik und zerschellt schließlich am sich erneut aufbäumenden »Dies irae«Motiv im Fortississimo des gesamten
Die Toteninsel (3. Version), Ölgemälde von Arnold Böcklin, 1883
Orchesters. »Es sollte ein großer Kontrast zum Rest des Werkes sein«, schrieb Rachmaninoff nach einer Aufführung im Jahr 1925 an den Dirigenten Leopold Stokowski, »schneller, nervöser und emotionaler – da dieser Abschnitt nicht zum ›Gemälde‹ gehört, tatsächlich ist es eine Art ›Ergänzung‹ zum Bild –was den Kontrast umso wichtiger macht. Im einen ist der Tod, im anderen das Leben.« Was bleibt nach diesem gewaltig inszenierten Kampf zweier musikalischer Motive? Rachmaninoff gibt die Antwort, indem er erneut das »Dies irae«Thema aufgreift, in dessen von trockenen Pizzicati und nervösen Tremoli gezeichneter Klanglandschaft die Solovioline das Wort schließlich an die Oboe übergibt, die erneut die sehnsuchtsvolle EsDurMelodie des Mittelteils intoniert. Wieder erklingen die choralhaften Bläserakkorde, die zuvor als Eingangsportal zur Insel gedient haben. Nun scheinen sie vom Abschied zu künden, das Boot übergibt sich wieder dem Wasser, noch einmal erklingen Wellenbewegung en des Beginns, werden leiser und leiser und verlieren sich im tiefblauen Pianissimo des Meeres.
Franz Liszt // Prometheus
Nachdem Franz Liszt bis zu seinem siebenunddreißigsten Lebensjahr als Klaviervirtuose rastlos durch ganz Europa gereist war und dabei das Publikum aller großen Metropolen zu Jubelstürmen hingerissen hatte –in seinem damals freilich noch ohne fotografisches Bild ausgestattetem österreichischen Reisepass stand als Erkennungsmerkmal »Celebritate sua sat notus est!« (»Durch seine Berühmtheit ausreichend bekannt!«) –, ließ er sich im April 1848 mit seiner Lebensgefährtin Carolyne zu SaynWittgenstein in Weimar nieder, wo er bereits seit Ende 1842 als Hofkapellmeister wirkte. Unter dem disziplinierenden Einfluss der Fürstin begann der von ihr als »klavierspielender Lebemann« charakterisierte Künstler, an seiner Idee der Symphonischen Dichtung als Weiterentwicklung der traditionellen Symphonik zu arbeiten. Dabei verfolgte Liszt kein geringeres Ziel als die »Erneuerung der Musik durch ihre innigere Verbindung mit der Dichtkunst«. Mit seinem programmatischen Ansatz schwebte ihm allerdings keine Tonmalerei vor, wie er sie etwa an Vorbildern wie Ludwig van Beethovens PastoralSymphonie op. 68 oder Hector Berlioz’ Symphonie fantastique op. 14 studiert hatte; vielmehr galt sein Interesse der Möglichkeit, sich auf diese Weise von den traditionellen Formmodellen der Symphonie lösen zu können, indem er die Struktur seiner Werke nunmehr einer ›außermusikalischen‹ poetischen Idee unterwarf.
Liszts später als Symphonische Dichtung veröffentlichtes Orchesterstück Prometheus S. 99 hat seinen Ursprung in einer Ouvertüre, die der Komponist 1850 für die Aufführung des dramatischen Gedichts Der entfesselte Prometheus von Johann Gottfried Herder zur »Vorfeier des HerderFestes« am 24. August 1850 in Weimar komponierte. Neben der Ouvertüre verfasste er hierfür acht Chorstücke, die an zentralen Stellen der Handlung gesungen wurden, mit der Herder eine Fortsetzung der Tragödie Der gefesselte Prometheus des antiken griechischen Dichters Aischylos geschaffen hatte. Nachdem zunächst sein Assistent Joachim Raff, wie
im Fall von Liszts erster Symphonischer Dichtung Ce qu’on entend sur la montagne S. 95 die Instrumentierung der Ouvertüre übernommen hatte, revidierte Liszt die Partitur in den folgenden Jahren mehrfach, ehe er das Stück 1856 als Symphonische Dichtung veröffentlichte. »Der Prometheusmythus ist voll mysteriöser Ideen«, schreibt er im Vorwort, »dunkler Traditionen, voll Hoffnungen, deren Berechtigung immer
bezweifelt wird, so lebendig sie im Gefühl leben. […] Es genügte, in der Musik die Stimmungen aufgehen zu lassen, welche unter den verschiedenen wechselnden Formen des Mythus seine Wesenheit, gleichsam seine Seele, bilden: Kühnheit, Leiden, Ausharren, Erlösung. Kühnes Hinanstreben nach den höchsten Zielen, welche dem menschlichen Geiste erreichbar scheinen, Schaffensdrang, Thätigkeitstrieb … Sündentilgende
»Nur eine Prometheusnatur erscheint auch als geeignet und berufen, ein Gedicht wie den ›entfesselten Prometheus‹ in eine andere poetische Sprache überzutragen, in den mystischen Zauber der Töne zu kleiden. Das Gelingen liegt in Gottes Hand, selbst das Nichtgelingen sichert immerhin einen schönen Künstlerruhm!«
Artikel über die Uraufführung von Liszts
Bühnenmusik zu Herders Der entfesselte Prometheus in der Weimarischen Zeitung vom 14. August 1850
Schmerzen, welche unablässig an dem Lebensnerv unsres Daseins nagen, ohne es zu zerstören; Verurtheilung, angeschmiedet zu sein an den öden Uferfelsen unsrer irdischen Natur; Angstrufe und Thränen aus unsrem … Aber ein unentreissbares
Bewusstsein angeborner Grösse und künftiger Erlösung; untilgbarer
Glaube an einen Befreier, welcher den langgequälten Gefangnen emporheben wird zu den überirdischen Regionen, denen er den lichten Funken entwandte, und endlich … Vollendung des Werkes der Gnade, wenn der ersehnte Tag gekommen.
Leid und Verklärung! So zusammengedrängt erheischte die Grundidee dieser nur zu wahrend Fabel einen gewitterschwülen, sturmgrollenden Ausdruck. Ein tiefer Schmerz, der durch trotzbietendes Ausharren triumphirt, bildet den musikalischen Character dieser Vorlage.« Musikalisch stellt Liszt den Kampf des Prometheus als musikalisches Über und Gegeneinander der eingangs postulierten ›fortschrittlichen‹ Quartklänge mit den ›konservativen‹ Terzklängen dar, die vor allem im fugierten Durchführungsteil miteinander wetteifern, ehe sie am Ende zu strahlender Symbiose zusammenfinden – den Schlusschor aus seiner Bühnenmusik zu Herders Drama widerspiegelnd: »Was Himmlisches auf Erden blüht, uns Menschen hoch zu Göttern hebt. Ihr Holdestes, ihr Seligstes, ist Menschlichkeit.«
Modest Mussorgski // Bilder einer Ausstellung
Die Geschichte des sogenannten ›Mächtigen Häufleins‹ begann mit einem Missverständnis: In seiner Rezension eines Konzertes, das am 12. Mai 1867 anlässlich des Slawischen Kongresses in Sankt Petersburg stattfand, hielt der Jurist und Kritiker Wladimir Stassow fest: »Mögen unsere slawischen Gäste […] sich stets daran erinnern, über wieviel Poesie, Gefühl, Begabung und Können das kleine, aber schon mächtige Häuflein der russischen Musiker verfügt«. Bezog sich Stassow damit einerseits explizit auf die im Programm des Konzerts vertretenen Künstler, darunter Michail Glinka, Alexander Dargomyschski, Mili Balakirew und Nikolai RimskiKorsakow, so spielte er andererseits implizit auf den wachsenden Kreis vielversprechender (Nachwuchs)Komponisten an, durch die das russische Musikleben zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen bemerkenswerten Aufschwung erfuhr. Erst als ein weiterer Kritiker, Herman Laroche, den Begriff des ›Mächtigen Häufleins‹ sechs Jahre später in seiner Besprechung von César Cuis Oper William Ratcliff verwendete, ging er als Bezeichnung für die heute unter diesem Terminus bekannte fünfköpfige Sankt Petersburger Komponistengruppe in die Musikgeschichte ein.
Seinen Ursprung hatte das ›Mächtige Häuflein‹ in den frühen 1860erJahren, als der Dirigent und Pianist Mili Balakirew eine Gruppe gleichgesinnter Musiker mit dem gemeinsamen Ziel um sich scharte, eine nationale Kompositionstradition in der Nachfolge Michail Glinkas, des Wegbereiters der eigenständigen russischen Kunstmusik, zu etablieren. Dem westlichen ›Akademismus‹, dessen wachsender Einfluss sich unter anderem in der beginnenden Institutionalisierung musikalischer Erziehung in Russland bemerkbar machte, setzten die Novatoren (russ. »nowatori« = »Neuerer«), wie sie sich selbst nannten, ihre bewusst autodidaktische, ›unverfälschte‹ musikalische Sozialisierung entgegen. So übten sie mit Ausnahme Balakirews neben ihrer künstlerischen Tätigkeit allesamt
bürgerliche Berufe aus. Zu dem später auch als ›Gruppe der Fünf‹ bekannten Freundeskreis zählten neben Balakirew der Arzt und Chemiker Alexander Borodin, der Ingenieur und Fortifikations-Experte César Cui, der Offizier und spätere Beamte Modest Mussorgski sowie der Seekadett Nikolai RimskiKorsakow.
Gilt Balakirews Islamey gemeinhin als erstes Meisterwerk in der Klavierliteratur der Neuen russischen Schule, so können Modest Mussorgskis fünf Jahre später komponierte Bilder einer Ausstellung mit Recht als deren Gipfelpunkt angesehen werden. Als er 1874 mit der Arbeit an seinem Klavierzyklus begann, stand der 35jährige Mussorgski fraglos auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Angeregt wurde er dabei durch eine Ausstellung, die dem Andenken des am 4. August 1873 im Alter von 39 Jahren verstorbenen Architekten und Maler Viktor Hartmann im Frühjahr 1874 in der Akademie der Künste in Sankt Petersburg gewidmet war. Bewegt von den Erinnerungen an seinen langjährigen Freund und inspiriert von den rund 400 Bildern aus dessen verschiedenen Schaffensphasen, wurde er von Stassow, einem der Initiatoren der Gedenkschau, zur Komposition einer musikalischen ›Bildergalerie‹ ermuntert. »Mein lieber généralissime«, schrieb Mussorgski ihm im Juni in seinem gewohnt telegraphischen Stil, »Hartmann kocht [...] – Klänge und Gedanken hängen in der Luft, ich schlucke sie und übersättige mich, kaum schaffe ich es, alles aufs Papier zu kritzeln. Ich schreibe die 4. Nr. – die Überleitungen sind gut (über die ›Promenade‹). Ich möchte alles rasch und sicher beenden. Meine Physiognomie ist in den Zwischenspielen zu sehen. Bis jetzt halte ich es für gelungen. Ich umarme Sie und hoffe, dass Sie mich segnen – also geben Sie mir Ihren Segen! Mussorjanin [Koseform von Mussorgski]«. Bereits am 22. Juni 1874 konnte er das Manuskript fertigstellen, auf dessen Titelblatt er vermerkte: »Gewidmet Wladimir Wassiljewitsch Stassow. Bilder einer Ausstellung. Erinnerungen an Viktor Hartmann.« Obwohl bislang nicht zu jedem der einzelnen Stücke die entsprechenden Bilder Hartmanns aufgefunden beziehungsweise zugeordnet werden konnten – als gesichert gilt etwa Hartmanns Kostümentwurf zum Ballett Trilby des russischen Komponisten Julius Gerber (= Ballett der unausgeschlüpften Küken) oder ein architektonischer Entwurf für ein Kiewer Stadttor mit Glockenturm und einer kleinen Kirche
(= Das Heldentor (in der alten Hauptstadt Kiew)) –, lassen sich die fehlenden Vorlagen durch verstreute, wiewohl teils widersprüchliche zeitgenössische Berichte größtenteils rekonstruieren.
Während es sich bei den Bildern einer Ausstellung nicht zuletzt dank der kongenialen Instrumentierung Maurice Ravels aus dem Jahr 1922 heute um das wohl populärste Werk Mussorgskis handelt, fanden sie zu seinen Lebzeiten kaum Beachtung. Erst 1886, fünf Jahre, nachdem der Komponist 42jährig an den Folgen seiner schwerwiegenden Alkoholabhängigkeit gestorben war, erschien der Klavierzyklus im Druck, wobei sich aufgrund der avancierten Tonsprache wie auch der enormen spieltechnischen Anforderungen nur wenige an das Werk wagten. Im orchestralen Gewand zahlreicher Bearbeitungen traten die Erinnerungen an Viktor Hartmann schließlich ihren Siegeszug durch die Konzertsäle weltweit an.
Orgel
Zuzana Ferjenčíková ist eine slowakische Organistin, Pianistin und Komponistin. Seit frühester Kindheit im Einklang mit der russischen Klaviertradition ausgebildet, erhielt sie eine Ausbildung als Organistin am Konservatorium Banská Bystrica und den Universitäten in Bratislava und Wien. Besonders geprägt wurde sie durch ihr Studium bei und die Zusammenarbeit mit Jean Guillou in Paris. Ferjenčíková ist Preisträgerin von mehreren internationalen Wettbewerben. 2004 gewann sie als erste Frau den ersten Preis beim Internationalen Orgelimprovisationswettbewerb in Haarlem (Niederlande). Im Herbst 2021 wurde sie als Nachfolger von Ben van Oosten als Professorin an die Codarts University for Music in Rotterdam berufen, wo sie Konzertfach Orgel unterrichtet. Neben intensiver Konzert und Aufnahmetätigkeit gibt sie Meisterkurse und ist JuryMitglied bei internationalen Orgelwettbewerben.
Ihr Fokus als Interpretin liegt auf der Musik der Romantik und des 20. Jahrhunderts, mit besonderem Schwerpunkt auf Franz Liszt und Jean Guillou. Als Komponistin schreibt sie unter anderem Konzertstücke für Orgel, für Klavier und für verschiedene weitere Instrumente, außerdem liturgische Musik. Mit großem Erfolg debütierte Ferjenčíková in international renommierten Konzertsälen wie der Elbphilharmonie Hamburg (2024), dem Wiener Konzerthaus (2024) und der Berliner Philharmonie (2025). Seit 2022 ist sie Künstlerin des Labels AEOLUS, mit dem sie seit 2023 eine Einspielung des Gesamtwerks von Jean Guillou realisiert. Im November 2025 erscheint die zweite CDAufnahme dieser Reihe, aufgenommen an den GuillouOrgeln in Chant d’Oiseau in Brüssel und NotreDame de la Treille in Lille. Auf dem im September 2025 erschienenen Album Passions spielt Zuzana Ferjenčíková eigene Transkriptionen von Beethoven, Mozart, Schumann und Liszt an der Seifert/ SINUAOrgel in St. Peter und Paul, Ratingen.
Herausgeberin
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
Redaktion
Andreas Meier
Biografien
Philipp Kehrer, Romana Gillesberger
Lektorat
Celia Ritzberger
Gestaltung
Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer
Abbildungen
Alte Nationalgalerie, Berlin (S. 8–9), Philadelphia Museum of Art (S. 11), gemeinfrei (S. 15), B. Barczyk Art Photography (S. 17)
Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten
LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz
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Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de
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